Freitag, 29. März 2024

Karls Impfkampagne: Kleine Geldspritze unter Freunden

Banger Blick beim fünften Booster: Karl Lauterbach ging auch den dritten Corona-Winter mit einer Spritze an. Als einer von ganz wenigen.

Es ist eines der ikonischen Bilder, die aus den Jahren der Pandemie geblieben sind. Karl Lauterbach, einer der mutigsten Mahner ganz Deutschland, sitzt an jenem Tag im September 2023 auf einer Krankenliege in einem Bundeswehrkrankenhaus, betreut von einer Ärztin im Offiziersrang. Die Pandemie, so glauben die meisten Deutschen, ist vorüber, der Alltag zurück.  

Der letzte Piks

Doch der frühere Christdemokrat, inzwischen seit Jahren SPD-Mitglied aus Überzeugung, weiß es wieder besser: Karl Lauterbach ist bereit, sich noch einmal gegen die aktuelle Omikron-Variante des neuartigen Lungenvirus impfen zu lassen. Der "Piks" (Bundesregierung) mit dem speziell angepassten Biontech-Impfstoffs wird Lauterbachs fünfte "Vollimmunisierung". Dennoch: Im Moment des Einstichs schaut der Gesundheitsminister weniger erwartungsfroh als bang. Lauterbach weiß aus Erfahrung ganz genau, was nun kommt. Doch der Schmerz, dass all das vergebens sein wird, er steht ihm ins Gesicht geschrieben.

Wie damals sind sie auch nun wieder dabei, alles zu zerreden, zu zerpflücken und die großen Erfolge der Bundesregierungen im Kampf gegen die weltweite Seuche in Abrede zu stellen. Nach dem rechtslastigen Magazin "Multipolar" und dem Ausrutscher des ZDF, das dessen Framing übernahm, ist es nun der Bundes­­rechnungs­­hof, der mit fragwürdigen Attesten zur Corona-Aufarbeitung selbst Zweifel an seiner Zuverlässigkeit schürt. So sei der Auftrag zur Impf-Kampagne "Ich schütze mich" unrecht­mäßig an eine Firma vergeben worden, die sich ihre Sporen zuvor als Werbeagentur der deutschen Sozialdemokratie verdient hatte - ein Zufall, auf dem die meisten Berichterstatter allerdings nicht weiter herumreiten. 

Am Lagerfeuer der Freigiebigen

Versammelten sich die "Vernünftigen" (ZDF) seinerzeit um die Lauterbach-Kampagne wie um ein "Lagerfeuer", das die durch Dunkle streunenden Ungeimpfen abschrecken sollte, fallen nun alle über den Minister her, als wäre die Begeisterung über den zu allem entschlossenen Minister "angesichts steigender Fallzahlen" (NDR) nicht groß gewesen. Gerade weil sich in jenem ersten Herbst des Krieges, in dem die "Tagesschau" nicht mehr Tag für Tag über die Pandemie berichten konnte, durch einen buchhalterischen Trick der EU über Nacht Millionen von "Geimpften" in "Ungeimpfte" verwandelten, war es wichtig, nachzuspritzen. Schließlich hatte der Bundeskanzler selbst ein Bundesimpfziel ausgerufen, dessen Erreichung zehn Monate später weiter entfernt war als jemals zuvor.

Der unerschrockene Karl Lauterbach sprang in die Bresche. Was ihm nun im Prüf­­bericht als "eine Auflistung von Fehlern und Ungereimt­heiten" samt Verstoßes gegen das Vergaberecht ausgelegt wird, galt damals als lebensrettende Maßnahme und unerlässliche "Angstkampagne" (Deutsche Presseakademie), die weder vollständig dokumentiert noch irgendwo infragegestellt werden musste. Schließlich führte Lauterbach echte Opfer vor, prekär Prominente wie die feministische Autorin Margarete Stokowski, die sich anschließend ins Privatleben zurückzog.

Für alle die, die ihn ernstnehmen

Hier, am Lagerfeuer der Freigiebigen, an dem Karl Lauterbach 45 Millionen Euro "für alle die, die die Pandemie weiter ernstnehmen" (Lauterbach) auf den Kopf klopfte, bestanden damals keine Zweifel an nichts. Dass Stokowski sich "wenige Wochen nach ihrer dritten Impfung mit dem Coronavirus infiziert hatte und deshalb am geheimnisvollen "Long Covid" erkranke, also keinesfalls an rechtsextremistischen Impffolgen leiden konnte, stellte sie selbst in ihren Social-Media-Kanälen regelmäßig klar. Dank Lauterbachs Millionen konnten viele andere nun mit Plakaten gewarnt werden, auf denen Menschen unter der Überschrift "Ich schütze mich" versuchten, die letzten paar Milliarden eingelagerter Impfdosen vor der drohenden Vernichtung zu bewahren.

132 Millionen Ladungen mussten dennoch entsorgt werden, aber "aufgrund der genetischen Variabilität des Coronavirus". 13 Milliarden ließ der Bund den Steuerzahler die insgesamt eingekauften 350 Millionen Dosen kosten, der schließlich weggeworfene Überbestand erforderte allein Investitionen von rund fünf Milliarden Euro. Die Aufregung um Lauterbachs kleine Geldspritze vor Beginn des "dritten Corona-Winters", der dann ausfiel, erscheint so objektiv betrachtet weniger als das "45-Millionen-Problem", das das ZDF gern beschwören möchte als vielmehr als belanglose Petitesse: Der finanzielle Freundesdienst an die bewährten Propagandisten früherer sozialdemokratischer Werbekampagnen macht nicht einmal ein Prozent des im Zuge der Booster-Bestellungen verschwendeten Mittel aus.

Die CDU bestellt

Das angeblich so "teure Lagerfeuer", das der Bundesrechnungshof beklagt, war vielleicht unrechtmäßig bestellt worden und der von der Opposition aus durchsichtigen Gründen aufgemachte Vorwurf des "Verdacht der Vetternwirtschaft" mag sogar zutreffen. Doch die vertragliche Basis für die Verpflichtung der SPD-Erfolgsagentur für die Kommunikationslinie "Ich schütze mich" war eben ein Rahmenvertrag mit der Agentur Scholz & Friends, den die Bundesregierung in der Zeit von Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn mitten in der extremen Krisensituation der vernichtenden ersten Corona-Welle im März 2020 nach einer europaweiten Ausschreibung mit der in der CDU traditionell besonders beliebten Agentur Scholz&Friends geschlossen hatten.

"Dieser Rahmenvertrag sah vor, dass die konkret zu erbringenden Leistungen von der Auftraggeberin maßnahmenbezogen abgerufen werden", hatte Lauterbachs Ministerium bereits vor einem Jahr erklärt. Zur Erfüllung von erforderlichen Leistungen konnten dabei auch Unterauftragnehmer in Anspruch genommen werden, so dass eine Extra-Ausschreibung nicht erforderlich gewesen sei. Helge Braun, als Vorsitzender des Haushaltsausschusses wegen des möglichen Missbrauchs so besorgt, dass er den Bundesrechnungshof zu Hilfe rief, war damals als Kanzleramtsminister selbst mit der Bestellung befasst.

Donnerstag, 28. März 2024

Statt der RKI-Protokolle: Kate, Königin der Schlagzeilen

Keiner kann Kate das Wasser reichen, schon gar nicht ein umstrittenes Thema wie die RKI-Protokolle.

Was sind die Hintergründe der jahrelangen Aussetzung von Grundrechten für Millionen gegen die Leiden einer Angehörigen des britischen Königshauses? Welche Rolle spielen gesellschaftliche Verheerungen im größten Mitgliedsstaates der EU noch, wenn gleich nebenan, jenseits des Kanals, ein Schicksal gemolken werden kann, das beinahe so vielversprechend wirkt wie das der später tödlich verunglückten Lady Diana, die seinerzeit aus lauter Liebe von den Medien "in den Tod getrieben" (Stern) worden war?

Einzelschicksale statt nationale Aufreger

Für alles zugleich reicht der Platz nie. Wie in der "Tagesschau", die die gesamte Welt jeden Abend in genau 15 Minuten passen lässt, muss aufgrund der Vorgaben des ersten Gesetzes der Mediendynamik überall klug gewirtschaftet werden mit Aufmerksamkeit, Klickmanagement und der Einordnung von Ereignissen nach ihrer tatsächlichen Bedeutung für das Leben der Menschen. Schicksalsfragen der Nation müssen aus Gründen der Unübersichtlichkeit zurückstehen hinter einfachen und damit auch für den einfachen Mann auf der Straße greifbare Einzelschicksale. Die geben zudem meist vom ersten Moment an die Gewähr, dass sie sich nicht missbrauchen lassen, um die Gesellschaft zu spalten und Zweifel zu nähren.

Dass die schwer erkrankte Kate Middleton damit von weitaus größerer Bedeutung für 84 Millionen Deutsche ist als das leidige Geraune über Dokumente aus der Corona-Zeit, geschwärzte Gesprächsprotokolle und Skandale, die "keine sind" (Tagesschau), liegt auf der Hand. Das Thema "Kate" samt Krebs und Krankheit läuft bei den großen Nachrichtenagenturen unter "Unterhaltung", wird also auf derselben Fabrik geliefert wie früher Teppichluder, Küblböck, Michael Jackson und die schnackselnde Fürstin Gloria.

Sichtungen und Märchen

Alles ist möglich. Jeder darf sich ausdenken, was immer er will. Hat ein Zeuge hat eine "wohl gesunde Kate zusammen mit Prinz William gesehen" (Südkurier)? Was ist dran an der Sichtung? Enden damit die Gerüchte um ihren Gesundheitszustand, die zuletzt von Camilla gestreut worden waren, einer Frau aus dem Umfeld des britischen Königshauses, in das die deutschen Leitmedien ebenso verliebt sind wie die revolutionärsten Sozialisten in den Regierungsparteien. Hauptsache, keine Realität, Hauptsache, Bürgerin und Bürger fühlen sich gut unterhalten von den schlechten Nachrichten aus London.

Für knappe zehn Milliarden im Jahr lässt sich kaum ein besseres Bildungsprogramm kaufen. 32 Mal hat das ZDF allein in seiner "Heute"-Sendung in den letzten 14 Tagen über den Fortgang der Ereignisse bei den Royals berichtet, die "Tagesschau" liegt mit 30 liebevoll gemachten Updates nur knapp dahinter. Bei aller Liebe: Dass die Kapazitäten angesichts dieser zweimal am Tag vorgenommenen Aktualisierung der Berichte zur Lage im Königspalast knapp werden, so dass beim Thema RKI-Protokolle einige Abstriche an der Erkenntnistiefe und Frequenz der Berichterstattung gemacht werden müssen, leuchtet ein.

ARD und ZDF setzen Prioritäten

Nicht nur das ZDF und die ARD-Tagesschau müssen hier Prioritäten setzen. Auch ehemalige Nachrichtenmagazine wie der "Spiegel" arbeiten hier nach Angebot und Nachfrage: 58 aufklärende, informierende und immer auch hübsch unterhaltende Beiträge zu Kate, darunter Kostbarkeiten wie "Frau im Hexenkessel", "Verschwörungsmythen um Kate sind kein Spaß" und "Aus Dianas Tod nichts gelernt", stehen gegen immerhin sieben Erwähnungen der RKI-Protokolle, über deren gesellschaftliche Relevanz und Bedeutung damit alles gesagt ist.

Sie haben keine, zumindest nicht verglichen mit Kate, der Königin der Schlagzeilen, die Tauruslieferungen, rechter Gefahr, den in aller Stille beendeten Massenkundgebungen gegen die drohende Remigration von Millionen und selbst dem immer gern genommenen Thema "Ampelstreit" den Rang abgelaufen hat. Statt Hetzern und Zweiflern zu erlauben, "mit der Pandemie noch heute Stimmung gegen unsere parlamentarische Demokratie" zu machen, wie Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt vor dem medialen Herumreiten auf den Protokollen aus dem Robert Koch-gewarnt hat, hilft Kate, eine drohende "Debatte über die staatliche Coronapolitik" gar nicht erst "neu zu entfachen" (Spiegel). 

Wozu auch? "Die Politik sollte die Pandemie selbst aufarbeiten, statt das Verschwörungstheoretikern zu überlassen", schließlich wissen die Verantwortlichen selbst am besten, welche Fehler vielleicht doch gemacht wurden und wo man einander am meisten verzeihen muss. 

Wachstumschancengesetz: So zündet die Konkunkturbremse

Abgeschaltete Anlagen sorgen für immer mehr Klimawohlstand, bereiten aber statistisch Sorgen, weil der Optimismuskel schwächelt.

Nein, mag es auch noch so schlecht stehen - das R-Wort wird nicht verwendet. Rein rechnerisch steckt Deutschland seit Monaten mittendrin in einer Rezession, die nicht einmal mehr die Bundesstatistiker als "technisch" und nicht einmal mehr die besten Gesundbeter im Gemeinsinnfunk als kleines Schwächeln abtun können.  

Der böse Begriff

Doch der böse Begriff, der in Millionen Deutschen ungute Erinnerungen an das Leben als kranker Mann Europas weckt, er will nicht fallen. Nirgends. Als stehe es auf einem amtlichen Index, als sei die Verwendung des Fachbegriffes für eine über mehrere Quartale schrumpfende Wirtschaft unter strenge Strafe stellt, spricht zwar die Bundesbank von einer Rezession. Aber nur "in diesem Quartal" und nur wegen des "aufkommenden Rechtsextremismus". 

Die Leitmedien steigen aber auch darauf gar nicht erst ein. Für sie ist Rezession etwas, das sich auf jeden Fall in Großbritannien abspielen kann, ja muss, wegen des Brexit. Auch in den USA ist es vorstellbar, denn dort droht Trump immerdar. Deutschland aber hat sicher schlechtere Zahlen, aber die besseren Prognosen: Selbst ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt steht hier unter der Überschrift "Wirtschaftswachstum". 

Selbst dienstbare Institute, die mit der deutlichen Korrektur ihrer Wachstumsprognosen stets warten, bis die Wirklichkeit sie schon wieder überholt hat, umschreiben Anhalten einer nahezu bewegungslosen Situation fast schon liebevoll: Die "schwächelnde deutsche Wirtschaft" werde sich "in diesem Jahr nicht so schnell erholen wie noch im Herbst erwartet". 

Verschoben und noch mal verschoben

Nun wird 2024 auf 2025 verschoben. Erst dann komme es dann wohl doch unter Umständen vielleicht wirklich wenn diesmal nichts dazwischenkommt zu den 1,4 Prozent Wachstum, die bis eben noch für 2024 errechnet, ermittelt und vorhergesagt waren. Das wären dann nur 0,1 Prozent weniger als die "fünf führenden Wirtschaftsinstitute" im alten kalten Kaffeesatz gelesen hatten. Trifft diese Prognose zu, wartet im laufenden Jahr immerhin ein bleistiftspitzes Wachstum von 0,1 Prozent auf die Deutschen, ein symbolischer Wert, der technisch die Funktion eines Trimmdich-Rades übernimmt, auf dem die Deutschen ihren Optimismuskel trainieren sollen, wie die Schriftstellerin Thea Dorn empfiehlt. 

Denn dieses ganze Wachstumsgedöns sei letztlich nur "eine Frage der Haltung", eine Rezession ohne R-Wort ist quasi gar keine und der Verweis darauf, dass heute in Deutschland 1,5 Prozent mehr Menschen leben als noch vor zwei Jahren, verbietet sich. Zuversicht müsse nur ordentlich trainiert werden, "um sie in sich zu spüren" (Dorn), niemand braucht dazu Zahlen, denn das "deutsche Wirtschaft kränkele" oder auch "schwächele", betrifft niemanden, weil "die Reallöhne der Arbeitnehmer sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr zulegen" (Die Zeit).

Ein wahres Wunder

Man mag es ein grünes oder ein Wirtschaftswunder wie damals nennen wie der Kanzler, wenn vom weniger mehr verteilt wird. Aber vom "dramatisch schlecht", mit dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Lage eben noch schlechtgeredet hatte, ist in der Frühjahrsprognose nur eine "zähe konjunkturelle Schwächephase mit schwindenden Wachstumskräften" übriggeblieben. Von wegen "so können wir nicht weitermachen", wie Habeck gewarnt hatte. 

Seit das große Wachstumschancengesetz endlich doch verabschiedet wurde, zündet die drei prächtige Milliarden schwere Konjunkturbremse richtig: Seit 2018 ist das Produktionsvolumen der Industrie jährlich im Mittel um 1,3 Prozent gesunken. Die frischen drei Milliärdchen werden nun ganz bestimmt eine Trendumkehr einleiten. 

Das hat der EU-Wiederaufbauplan für Europa gezeigt: Das "größtes Konjunkturpaket aller Zeiten" (EU) hatte mehr als zwei Billionen Euro aus einem "Aufbau- und Resilienzfazilität" getauften neuen Schuldentopf in ein "grüneres, stärker digital ausgerichtetes und krisenfesteres Europa" investiert und auf diese Weise imponierende Wachstumsraten von bis zu 0,6 Prozent produziert - man habe Schinken wurde nach der Wurst geworfen, getroffen aber worden sei Käse, kommentiert ein Beamter in Brüssel.

Morgen, morgen, nur nicht heute

Deutschland wird es besser machen. Aber "morgen, morgen, nur nicht heute" (Christian Felix Weiße, 1726-1804). Ganz ohne den Industriestrompreis, das Klimageld und die leidenschaftlich diskutierten Hilfen für die letzten Solarhersteller sind die Aussichten prächtig, nur eben später oder noch später, dafür aber deutlich bescheidener.  Selbst die führendsten Prognostiker müssen ihre solidarischen Vorhersagen immer dann anpassen, wenn das Lachen im Saal zu laut wird. Alle Hoffnungen richten sich nun darauf, dass es wenigstens zu einer Stagnation reichen wird, getragen vom privaten Konsum,  finanziert aus den tiefen Taschen einer ungewissen Zukunft.

Mittwoch, 27. März 2024

Weitergehn, es gibt nichts zu sehen: Die Corona-Protokolle

Zum Schutz der Allgemeinheit mussten Angaben in den RKI-Protokollen geschwärzt werden. Das aber nutzten nur Wichtigtuer und Klugscheißer, um neue Verschwörungstheorien daraus abzuleiten.


Multipolar, Monopol (Turi) oder Geratewohl, natürlich verband sich mit der Klage auf Herausgabe der Pandemie-Protokolle des Robert-Koch-Institutes eine geheime Hoffnung. Hatten sie hinter den Kulissen etwa? Grundrechte missachtet? Kalt und mit Kalkül über einen mechanischen Regelungsapparat die Verfassung außer Kraft gesetzt? Wissentlich Maßnahmen verhängt, die nicht wirksam waren? Impfstoffe freigegeben, die nicht ganz so gut zu vertagen sind wie andere?

Eine virologischer Widerspruch von PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl.

Prantl bezog früh Position.
Aber nein. Es war wichtig, dass nicht alles im Nachhinein zerredet wird, dass nicht Beckmesser und Schlaumeier daherkommen und ausgerechnet dem Land, das mit einer Regierung gesegnet war, die immer punktgenau das Richtige tat, nachweisen, dass es auch anders gegangen wäre. ARD, ZDF, der Spiegel, die SZ und all die anderen Medienhäuser haben deshalb auch in derselben Minute wie das damalige Bundeskabinett den Schalter umgelegt: Eben war noch Corona. Dann nicht mehr. In möglichen Wunden bohren, nach Fehlern suchen und Verfehlungen anprangern, womöglich noch mit der Begründung, dann könne es jeder beim nächsten Mal besser machen, darauf wurde verzichtet. 

Es gibt auch ohne Recherchen, von denen vorher niemand das Ergebnis kennt, immer genug Stoff für 15 Minuten Tagesschau, für Talkshows und politische Magazine wie "Monitor". Eine vierte Gewalt soll kontrollieren, aber die Prozesse nicht stören.  

Dass nun ein "Medium eines rechten Verschwörungstheoretikers" die "Corona-Protokolle des Krisenstabs am Robert Koch-Institut herausgeklagt" hat, wie das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bedauernd zusammenfasst, muss deshalb eingeordnet werden. "Große Aufregung, wenig Neues", fasst eine Faktencheckermannschaft aus drei hochrangigen Nachrichtenbeamten knapp zusammen. Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen.

Ein durchsichtiger Versuch

Nichts davon hätte irgendjemand wissen müssen. Belanglos. Störfeuer. Ein durchsichtiger Versuch, die Gesellschaft erneut zu spalten. Dort, wo echter Journalismus betrieben wird, wusste man das schon lange. Wie der "Spiegel" verzichteten auch sämtliche anderen großen Häuser auf den Versuch, nachschauen zu wollen. So weit, so gut. Das wird schon alles seine Ordnung gehabt haben, schließlich war man selbst meist ganz vorn dabei, wenn neue Maßnahmepakete noch besser erklärt werden mussten, jähe Wendungen zu verteidigen waren und es galt, BWHF-Schöpfungen wie "Osterruhe", "Bundesnotbremse", "Alltagsmasken" und "Kontaktsperre" eiligst zu popularisieren. Soll das nun alles infrage gestellt werden dürfen? Von Schwurblern, die staatseigenes Material benutzen wie russische Trolle Bundeswehr-Gesprächsprotokolle?

Es handelt sich hier, das sieht ein Blinder beim Lesen der Schwärzungen in den "freigeklagten" (Merkur) Unterlagen, um einen "Skandal, der keiner ist" (Tagesschau). Alles "weit weniger brisant" als behauptet, alles kein Grund, schon gar nicht für eine "große Welle der Empörung". Ja, sie haben den guten AstraZeneca-Stoff noch empfohlen, als sie selbst schon ernste Zweifel hatten. 

Aufrundung der Zahlen

Aber mal ehrlich: Konnten sie denn wissen, dass das rauskommt? Und die Aufrundung der Zahlen im ersten Lockdown, um auf einen R-Wert von über 1 zu kommen? Hand aufs Herz. Wer hätte angesichts einer bevorstehenden Bund-Länder-Runde, die sich ohne einen R-Wert über 1 womöglich für sogenannte Öffnungen entschieden hätte, nicht so gehandelt? Das kleinliche Nachkarten, die Suche nach einer Wahrheit, die droht, letztlich nur den Falschen zu dienen, das bringt nun auch nichts mehr. Vergossene Milch, denn die Opfer sind tot, die Regierung hat gewechselt und Fehler wurden gemacht, aber eben bewusst so, dass sie nicht das Grundvertrauen der Bürgerinnen und Bürger erschüttern.

Es nützt doch alles nichts mehr. Ein Mann wie Karl Lauterbach regiert heute, damals aber regierte er von der Talkshowcouch aus nur die Stammtische. Die Virologen und ihr Streit um dieses und jenes - wer kann heute noch nachvollziehen, warum dieser oder jener ehemals angesehene Wissenschaftler aus der Gnade fallen musste? Gar nicht zu reden von denen, die sich wider die Tageswahrheit stellten und an allem zu zweifeln vorgaben, immer zu falschen Zeit: Sie wollten Masken, als es keine gab, sie lehnten Masken ab, als endlich welche vorhanden waren, sie verweigerten die Impfung und betonten dreist das "unveräußerlich", das das Grundgesetz vor das Wort "Menschenrechte" gesetzt hat. 

Schädliche Diskussionen

Ebenso wenig wie die Diskussion darüber, wer wann wem welchen Befehl gegeben hat, wo wider besseres Wissen gehandelt wurde und wer die größte Menschheitskrise kalt und klug als Karrierechance nutzte. Nachholende Diskussionen darüber wären schädlich, nicht zuletzt für die großen Medienhäuser, die in den Pandemiejahren mit einem Stift schrieben, an einem einzigen Text und dabei nicht einmal davor zurückschreckten, Abweichler aus der eigenen Blase öffentlich zu maßregeln. Über allem steht die Hoffnung auf Einsicht: Würden die Menschen endlich anfangen, einfach alles zu glauben, was gesagt wird, und alles zu tun, was die Regierung für erforderlich hält, könnte die Gesellschaft schon viel weiter sein.

Was geschah, war doch Besten, zum Besten aller. Vor diesem Hintergrund konnte die ans Licht gezerrten Corona-Protokollen des Robert-Koch-Instituts aus den Jahren 2020 und 2021 gar nicht zu mehr Transparenz oder einer nacheilenden Einsicht in die Notwendigkeit der Hochstufung der Risikobewertung, der Einführung einer Zwangsimpfung und der Aufrechterhaltung einer FFP2-Maskenpflicht noch Jahre nach der Erkenntnis ihrer völligen Nutzlosigkeit führen. 

Zu Unrecht Unrecht getan

Ja, auch der Bevölkerung wurde zu Recht oder zu Unrecht Unrecht angetan. Aber alle, die daran mitwirkten, meinten es doch nur gut. Ein wissenschaftliches Institut, das ebenso wie der Ethikrat, das gesamte Bundesbeauftragtenwesen und zuletzt der neue Bürgerrat einzig zum Zweck unterhalten wird, seiner aufsichtsführenden Regierung die gewünschten Stichworte und Argumente für die jeweils präferierte Politik zu liefern, kann nicht bezichtigt werden, genau das zu tun. Dass die Beamten, die vielleicht bestimmte Empfehlungen gegeben oder bestimmte Maßnahmen ausgelöst haben, nun wegen  der Schwärzung ihrer Namen "als Büttel der Regierung hingestellt" (FAZ) werden, bekämpft möglicherweise geschehenes Unrecht mit neuem Unrecht fort. 

Statt auf die Goldwaage zu legen, was damals gesagt und getan wurde, sollte alles zu den Akten wandern. Es gilt, die Kämpfe von damals zu vergessen, endgültig. Ziel muss es sein, zu verhindern, dass nicht die recht behalten, die damals im Chor sangen, dass sie wüssten, was richtig ist. Ihnen nun nachholend das Recht auf ungestraften Irrtum abzusprechen, ist, wie die FAZ es nennt, nur eines: Klugscheißerei.

Islamischer Staat Provinz Khorasan: Droht der Terrortruppe ein Verbot?

Der ISPK stellt sich auch gegen das gerechtigkeitsbildende Gendern unter dem Taliban-Regime.

Wäre nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen worden, um gute und schlechtere Opfer sicher unterscheiden zu können, hätte das Brandenburger Tor wohl glatt noch einmal beleuchtet werden müssen. So aber blieb der Terroranschlag von Moskau lichttechnisch folgenlos für Deutschland. Je sius niemand mehr, Werte sind dicker als Blut. Das spart nicht zuletzt wichtigen Klimastrom.

Auch wenn der Steinzeitterror Frauen, Kinder und Zivilisten niedermäht, kann zudem konzentriert darüber nachgedacht werden, welche miesen Tricks der russische Diktator Wladimir Putin anwenden wird, um seine Schuld am Comeback des mörderischen Islamismus zu vertuschen. Geheime Informationen sickern darüber durch, wie selbstlos US-Geheimdienste vorab gewarnt hatten. Und wie der Verschwörungstheoretiker Putin kein Wort glaubte. Nun hat er den Schaden. Den er natürlich prompt für seine Agenda nutzt, als hätte er den Anschlag selbst geplant.

Leaks, nicht Propaganda

Es handelt sich bei solchen Nachrichten generell um sogenannte Leaks, nicht um Propaganda. Auch Hinweise, wie sicher Sachsen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind, weil hierzulande mit Blick auf die anstehende Europameisterschaft alles getan wird und noch viel mehr, sind Teil eines Abschreckungsapparates, der der internationalen Terrorgruppen signalisieren soll, dass sie keine Chance haben, hierzulande zum Zuge zu kommen.

Für die Terrorgruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) könnte diese knallharte Linie der deutschen Behörden sogar direkte und unmittelbare schwere Folgen haben. Lange schon warnen die zuständigen Terrorismusexperten bei allen Großmedian vor der Gefahr, die von der renitenten Splittergruppe droht. Selbst die "Mutter aller Bomben" (FR), mit der die USA vor fünf Jahren etwa 100 der verwirrten Kalifatskämpfer mit einer Sprengkraft von 11.000 Tonnen TNT in "Flammen so groß wie Türme" verbrannt hatten, ließ die ISPK nur vorübergehend vom Radar verschwinden. Kaum war das Ende des Kalifats verkündet, war der Tod des Khorasan-Kommandeurs Muhsin al-Fadhli Muhsin al-Fadhli ebenso vergessen wie der seines Nachfolgers Abu Khalil al-Sudani oder der Name von dessen Nachfolger.

Abgetauchte Gefahr

Der ISPK tauchte nur noch auf, wenn es galt, von den Schwierigkeiten der Taliban mit sektiererischen Islamisten zu berichten. So fern lag die Bedrohung für die Reiche der Menschen, dass selbst die eine oder andere Festnahme von Terrorteenagern mit ISPK-Verbindungen im Kleingedruckten blieb: Wie die Hamas vor dem 7. Oktober taucht der regionale IS-Ableger aus dem "Land der aufgehenden Sonne", das im siebten Jahrhundert kurzzeitig als persisches Reich existierte, zwar als mögliche Quelle von "Gefährdungen" im Verfassungsschutzbericht auf.

Anschläge des "Islamischen Staates Provinz Khorasan" im westlichen Ausland seien "möglich", heißt es da recht gemütlich. Denn "aus Sicht des ISPK" werde das "dessen Ansehen unter seinen Anhängern erhöhen und zugleich die Ordnungsmacht der Taleban (Original) in Afghanistan infrage stellen und diese vermehrt unter internationalen Druck setzen".

Im Fantasiestaat

"Einmal fassen, dieses bleibt für immer", wie eine große Dichterin einst schrieb. Deutschland hat den ISPK fest auf dem Schirm, auch die EU beobachtet ihn kompromisslos. Der "aggressivste IS-Ableger", wie ihn das Bundesinnenministerium nennt, muss perspektivisch womöglich sogar fürchten, als illegale Terrorvereinigung verboten zu werden. 

Derzeit steht der etwa 4.000 Mann starke Fantasiestaat noch nicht auf der offiziellen Liste der verbotenen Vereinigungen, deren Pflege und Aktualisierung "einen Schwerpunkt der Maßnahmen des Bundesministeriums des Innern und für Heimat bei der Bekämpfung des Extremismus" (BMI) bildet. Auch die EU führt mittlerweile zwar die Hamas als Terrororganisation. Im Unterschied zu den USA, die ISIL-K bereits 2016 als terroristische Vereinigung einstuften, aber nicht die Khorasan-Kämpfer.

Das droht sich nun binnen weniger Monate oder gar Jahre zu ändern. Angesichts der bisher aufgedeckten Untaten der Extremisten könnte schon ein einziger weiterer Anschlag oder ein Anschlagsversuch am falschen Ort ausreichen, die Behörden in Alarm zu versetzen. Deutschland wie die EU würden dann wohl beinahe sofort mit der scharfen Klinge des Verbots auf die Bedrohung  reagieren.

Dienstag, 26. März 2024

Multis melken: So profitiert die EU vom Erfolg der Mega-Konzerne

Das Netz, wie es früher nie war: Die SPD tritt schon lange für einen durchregulierten Raum ein.

Die meisten Innovationen im Internet verdanken sich schon seit Jahren eu-europäischen Erfindern. Der legendäre Günther Oettinger war es, der die ersten Online-Steuern ins Spiel brachte, auf die Kappe des EU-Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz geht die Idee eines umfassenden Werbeverbots und mit der Cookie-Richtlinie gelang es Europa sogar, ein "Grundgesetz" (Tagesschau)  für die bis dahin wild wuchernden Datenautobahnen zu erlassen, mit dem weltweit eine "Zähmung des Internets" (Handelsblatt) gelang.  

Im Land Übermorgen

Ein Zeichen, auf das die Welt neidisch schaute, denn nach "besseren Cookies" (Die Zeit) sehnen sich Menschen auf allen Kontinenten fast genauso wie nach strengster Aufsicht und Regulierung. Dass der seit der Realisierung der "Lissabon-Strategie" wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensgestützte Wirtschaftsraum der Erde keine eigenen Internet-Unternehmen von Belang hat, ist allenfalls ein Schönheitsfehler.

Ja, Europa spielt im Internet heute dieselbe Rolle wie die DDR nach ihrem Beitritt zur BRD. Der Kontinent ist Konsumtheke für Apple, Amazon, Google, Meta und deren chinesische Konkurrenten, ein bisschen aber auch verlängerte Werkbank, an der zur Aufrechterhaltung von Moral und Betriebsfrieden im Sozialstaat subalterne Hilfsarbeiten durchgeführt werden. 

Im letzten Waggon

Ganz vorn aber ist der letzte Waggon im "größten Wirtschaftsraum" (EU-Kommission) bei der Aufsichtsführung: Mit KI-Gesetz, Digital Markets Act und Digital Service Act sind eben gerade drei neue Leitplanken nach einander eingezogen worden, die vielleicht nicht versprechen, dass junge Innovatoren aus aller Herren Ländern nun nach Deutschland, Italien, Griechenland und Belgien strömen. Die aber vielversprechende Möglichkeiten bieten, anderweitig vom weltweiten Wettrennen um die Herrschaft in Digitalien zu profitieren.

Die EU-Kommission muss dazu nicht säen, nicht gießen und nicht einmal selbst ernten. Sie eröffnet wie seit jeher schon einfach sogenannte "Wettbewerbsverfahren" (Die Welt), ermittelt ein wenig, aber lange, verkündet dann eine atemberaubend hohe Summe als Strafe, lässt Meldungen verbreiten, dass das Internet damit sehr viel besser geworden sei und posiert zumindest für einen Moment in einem glänzend hellen Licht, das alles Versagen beim Versuch, Bedingungen zu schaffen, die eigene europäische Internet-Riesen entstehen lassen könnten, im Schatten versinken lässt.

Die EU melkt die Multis

Niemand braucht sie, denn die EU melkt die Multis auch so reichlich. Die Summe, die Google eines Tages zahlen soll, steht bei über acht Milliarden Euro, bei Apple sind es 15 Milliarden, Meta ist mittlerweile 4,5 Milliarden schuldig, Amazon drohten sogar 47 Milliarden Euro Strafe. Summen, dieim neuen Verfahren gegen die Google-Mutter Alphabet, den iPhone-Hersteller Apple und den Facebook-Mutterkonzern Meta leicht zusammenkommen könnten, denn Brüssel hofft, dass sich die Unternehmen nicht an das neue Gesetz für digitale Märkte halten, das zwingend vorschreibt, wie die Marktmacht der Digitalkonzern begrenzt wird.

Alphabet und Apple sollen App-Entwickler nicht mehr zur Nutzung ihrer hauseigenen App-Stores zwingen dürfen, Google muss seine vielen einzelnen Dienste voneinander entkoppeln, um den Nutzern ein Cookie-Richtlinie 2.0-Erlebnis zu bieten. Die Facebook-Mutter Meta schließlich wird verdächtigt, ein Bezahlmodell für Facebook und Instagram anzubieten: Für 9,99 Euro im Monat können Accounts werbefrei geschaltet werden. Alternativ müssen personalisierte Anzeigen akzeptiert werden, weil Meta behauptet, dass sich die beiden Plattformen nur so finanzieren ließen. Dabei zeigt das Beispiel des kommissionseigenen Kanals auf Mastodon, dass es auch anders geht: Werbefrei, aber nur mit Anmeldung.

Folgebereitschaft herstellen

Der scheidende EU-Digitalkommissar Thierry Breton sieht im neuen Mammutverfahren, dass sich nach allen bisherigen Erfahrungen wenigstens bis 2030 hinziehen wird, eine große Chance, "Folgebereitschaft herzustellen". Über Jahre werden die Wettbewerbshüter der EU Arbeit und Brot haben, selbst wenn die ersehnten Milliarden am Ende wieder nicht fließen, erzeugt das virtuelle Guthaben ein schönes Gefühl in den Mitgliedsstaaten, deren Mitgliedsbeiträge sich gemäß des EU-Verteilungsschlüssels anteilig reduzieren würden, ginge doch irgendwann eine Zahlung ein. 

Ob es so kommt oder doch so wie immer, tut gar nichts zur Sache, weil, ohnedies niemand jemals darüber berichtet, dass eine der hart bestraften Firmen wirklich bezahlt hat. Mit der öffentlichen Ankündigung der Durchsetzung der EU-Regeln und der Erwähnung, dass zum Begleichen der Rechnung nur wenige Monate bleiben (Stand 2018), ist der Hauptzweck der Übung erfüllt.

RKI-Protokolle: Masken im Mantel des Schweigens

Noch der größte Unsinn ging in den verrückten Corona-Jahren als "Maßnahme" durch - die großen Medien applaudierten bereitwillig.

Erst gab es keine, aber sie wirkten ohnehin nicht, dann aber doch, denn nun waren dank chinesischer Arbeit und den titanischen Anstrengungen deutscher Politiker auch welche verfügbar. Aber lange blieben sie nicht gut genug, denn die wissenschaftliche Forschung ging immer weiter und so stellte sich bald heraus, dass genug nie genug ist. Mussten zu Beginn der Corona-Pandemie noch handgenähte Stofflappen herhalten, um die Bevölkerung notdürftig vor dem neuartigen Lungenvirus zu schützen, wurden sie in dem Moment zu reinem Hokuspokus, als die ersten überteuerten medizinischen Masken eingeflogen wurden. Die wiederum konnten nur so lange ihre fantastische Schutzwirkung entfalten, bis die dichteren FFP2-Masken verfügbar waren.

Verrückte Jahre

Was wirkte, wann und weswegen dann nicht mehr bestimmten in jenen verrückten Jahren das Robert-Koch-Institut (RKI), eine nach einem großen deutschen Menschenexperimentator benannte Behörde, die ursprünglich als Forschungseinrichtung gegründet worden war, in den Tagen des Gesundheitsnotstands aber urplötzlich berufen wurde, politische Entscheidungen zu Eingriffen in die unveräußerlichen Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger mit der Notwendigkeit der Gesundheitspflege zu begründen. Das RKI musste dazu wenig begründen, es konnte jähe Wendungen und Volten hinlegen, hatte aber immer recht. Widerspruch war Querdenkerei. Zweifel an aufeinanderfolgenden, aber einander widersprechenden Anweisungen führten stracks in Lager der staatswohlgefährdenden Legitimierer des millionenfachen Todes von Alten, Kranken und Vulnerable.

Das RKI war berühmt wie Gott, der Papst und John Lennon Taylor Swift. Der fachliche Rat der Koch'schen Runde verbot sich jede Nachfrage. Im Kulturkampf um die treue Gefolgschaft rückten zeitweise selbst Frauen und Männer an den äußersten Rand der Gesellschaft, deren Verfassungstreue bis dahin außer Frage gestanden hatte. Bruchlinien, die die Zeit dann aber schneller heilte als jemals zuvor eine weltweite Seuche ihren tödlichen Schrecken verlor. In Deutschland hielt das Grauen zwar am längsten an. Doch wie es der Zufall will: Nur wenige Tage vor dem völkerrechtswidrigen  Angriff Russlands auf die Ukraine kam die erlösende Nachricht beziehungsweise sie kam nicht: Ende Februar 2022 berichtete die "Tagesschau" erstmals mit keinem einzigen Wort mehr über Corona.

Beschwörende Kleidungsriten

Es war vorüber. Karl Lauterbach zog sich aus den Talkshows zurück. Das RKI erließ keine Handreichungen mehr, nach denen die Bundesregierung beschwörende Kleidungsriten zur Pflicht machte. So hätte es gern bleiben können, denn gerade die Hardliner der Zero-Covid-Kirche, denen selbst Spielplatzverbote und Maskenpflicht auf Parkplätze nicht genug gewesen war, wollten lieber nicht mehr erinnert werden an ihre Versuche, die Gesellschaft mit der Infektionskeule auf Dauer neu zu formatieren. 

Dass sogenannte "rechte Schwurbler" das RKI nun gezwungen haben, interne Beratungsprotokolle aus den verrückten Corona-Jahren öffentlich zu machen, passt da gar nicht in die Strategie, alles zu begaben und zu vergessen, als wäre es nie geschehen. Auch Tage nach der vom Magazin "Multipolar"erzwungenen Herausgabe der zuvor flächig geschwärzten Unterlagen herrscht denn auch weitgehend Schweigen im Blätterwald. Die großen Sender, Magazine und Tageszeitungen, die sich als die "vierte Gewalt" sehen, haben nicht nur nicht auf Herausgabe der Protokolle geklagt, um den gesellschaftlichen Frieden nicht zu stören. Sondern das einem winzigen Nischenblättchen überlassen. 

Nun ignorieren sie das vorliegende Material nach Kräften. Es dauerte Tage, bis überhaupt irgendwo eine schmale Meldung auftauchte. So lange, dass es selbst dem früheren Zero-Covid-Pionier Georg Restle nicht mehr wie ein Zufall vorkam. Als dann berichtet wurde, geschah es mit einem Trick: "Journalisten klagen erfolgreich auf Herausgabe von Corona-Protokollen", heißt es etwa im "Spiegel", der den Blick damit erfolgreich vom Stöckchen aufs Steinchen lenkt. Ebenso beim teilstaatlichen Portal T-Online, das es bei "Nach Klage: Corona-Protokolle des RKI veröffentlicht" belässt und damit ebenso wie der "Spiegel" auf Informationen über den Inhalt weitgehend verzichten kann. 

Verzicht auf Vergangenheit

Der werfe bloß "Fragen über die Entscheidungen in der Pandemie auf" (Spiegel), die zu beantworten Teile der Bevölkerung beunruhigen könnte. Galt während der Corona-Jahre bei allen deutschen Medien, dass die Bundesregierung machen kann, was sie will, auch erst dies und dann das Gegenteil, weil Kritik daran nur den "Falschen" (®© Tagesschau) helfen würde, gilt es nun, geschlossene Formation zu halten und klarzumachen, wer hier warum RKI-Protokolle ans Licht zerrt.

"Multipolar wird unter anderem vom Autor Paul Schreyer herausgegeben, der Bücher mit Verschwörungserzählungen zu den Anschlägen vom 11. September veröffentlicht hat und mehr Verständnis für die Politik Russlands eingefordert hat", enthüllt der "Spiegel" knallhart Hintergründe zu den Unterlagen mit "politischer Sprengkraft", die gar nichts zur Sache tun, die Praktiken des RKI aber sofort in einem viel wärmeren, weicheren Licht erscheinen lassen als wenn das frühere Nachrichtenmagazin direkt aus dem Inhalt der mehr als 1.000 Seiten zitieren würde.

Bloß keine Recherche im Material

Wem wäre denn damit heute noch geholfen, würde er wissen, wie seinerzeit gezielt Panik geschürt, wie Ängste auf Zuruf "hochskaliert" wurden und Medien sich willig einschwören ließen, nur noch "eine einzige Meinung" zuzulassen, wie der damals als "gefährlicher Lockerungspopulist"  abgeurteilte ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet seinen Eindruck schildert.

Nein, die "brisanten Protokolle" (n-tv) lassen sich am sichersten auf der Ebene der Berichterstattung über die Berichterstattung abhandeln: Der "Spiegel" zitiert das ZDF, n-tv konzentriert sich spürbar traurig auf die bedauerliche "juristischen Schlappe vor Gericht",  die nun zeigt, dass es von Anfang an "keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes" gab, die behördlichen Anweisungen, nur noch diese Art Maske pflichtgemäß tragen zu müssen, also nur auf eine reine Unterwerfungsgeste zielte, mit der Bürgerinnen und Bürger ihre Folgsamkeit unter Beweis stellen sollten.

Wenigstens so tun

Dass der bekennende Haltungspropagandist Georg Restle die Chance nutzt, sich einmal mehr als Kritiker der ausbleibenden Kritik am RKI zu inszenieren, rundet das Bild ab. Obwohl es ein "Alternativmedium" (Berliner Zeitung) gewesen sei, das den milliardenschweren Gemeinsinnsendern und privatkapitalistischen Medienheuschrecken die Enthüllungsarbeit abgenommen habe, dürfe sehr wohl über den Inhalt der Protokolle berichtet werden, findet der frühere Verfechter des raschen Übergangs zur Megalockdown-Gesellschaft mit auf Dauer ausgesetzten Grundrechten. Was Restle, bekannt auch für seine Wendigkeit beim Wechsel der Grundwerte, damit meint, ist freilich nur, dass berichtet werden muss, um zu verhindern, dass es heißt, es werde nicht berichtet.

Der bauernschlaue Meinungsführer, dem die Einschaltquoten so brachial wegbröckeln, dass jeder Privatsender längst den Stecker gezogen hätte, weiß genau, wie man "Haltet den Dieb" schreit, um nicht selbst für einen gehalten zu werden. Dass seine Mahnung, es dürfte durchaus berichtet werden, ernst genommen wird, obwohl die entsprechende Berichterstattung in früheren Jahren eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre, zeigt nicht nur, dass sich "Demagoge" auch mit fünf Buchstaben schreiben lässt, sondern zudem auch den bedauernswerten Zustand, in den sich Deutschland Medien selbst versetzt haben, als sie sich willig in die Regierungsfront der Maßnahme-Kämpfer einreihen ließen.

Montag, 25. März 2024

Sprengverbot: Gesetzlicher Schutz für Geldautomaten

Eine ernste und akute Gefahr: Durchschnittlich 45.000 Euro erbeuteten Geldautomatensprenger zuletzt.

Eine Landplage, kreuzgefährlich, teuer und von Teilen der Bevölkerung mit Argwohn und Angst beobachtet, obwohl das Risiko weiterhin sehr gering ist. Doch immer mehr gesprengte Geldautomaten werfen nun bis in den Gemeinsinnfunkhäuser tief im Süden Fragen auf: Was ist zu tun? Wer sollte schnellstens handeln? Und wie? Gerade weil es bis zur Bargeldabschaffung und der Einführung des Digitalen Euro (DEURO) noch ein weiter Weg ist, muss sich die Gesellschaft gegen die Täter rüsten, die aus dem Nichts kommen, brachial zu Werke gehen, um an das Bargeld zu kommen, und nach getaner Schurkenarbeit umgehend wieder ins Nirgendwo verschwinden.  

Taschen voller Geld

Meist haben die reisenden Automatenknacker die Taschen voller Geld, Banken und Sparkassen aber beklagen oft einen noch höheren Schaden durch beschädigte Geräte und Gebäude. Kundinnen und Kunden müssen bis zur Reparatur der Schäden weite Wege zu Geldausgabestellen in Kauf nehmen. Anleger und Eigentümer der Geldinstitute haben mittelbar oder unmittelbar für die Kosten auszukommen und bei den Strafverfolgungsbehörden herrscht Frust. Der Gesamtschaden für das Jahr 2022 lag bei 110 Millionen Euro – 30 Millionen Euro erbeuteten die Bankräuber, 80 Millionen Euro betrugen die Gebäudeschäden. Kaum war das Geld gestohlen, befanden sich die deutschen Euros schon im Ausland und die Abkassierer waren für Staatsanwalt und Polizei kaum mehr greifbar. 

Wie lässt sich das verhindern?, fragt der Bayerische Rundfunk in einer Neuauflage eines Enthüllungsbeitrages aus dem Jahr 2015, der die Masche vorstellte, die Täterfrage beleuchtete und das Geschäftsmodell beschrieb. Seitdem gehört die Klage über eine beständig zunehmende Zahl an Sprengungen, das "zunehmende Phänomen" (Der Spiegel) und "neue Explosionstaktiken", bei denen "oftmals ein Bild der Verwüstung" entstehe (ZDF), zum medialen Jahreskalender wie Weihnachten, Ostern, die Wahl zum "Vogel des Jahres" und die Earth-Hour-Gebetsstunde im März. 

Fester Termin im Kalender

Gerade weil die Angriffe so raffiniert sind - Täter kommen mitten in der Nacht, sprengen, reißen Anwohner aus dem Schlaf und sind schon wieder weg, wenn der erste Streifenwagen sich vorsichtig nähert - wurde kaum Fortschritte erreicht. Aus 392 Attacken im Jahr 2021 wurden 2022 bereits 660, neuere Zahlen existieren noch nicht, auch die letzten greifbare Zählung wurde medial schon weitgehend ignoriert. Es geht nicht mehr um wie viel, sondern nurmehr darum, wer schuld ist, wenn es die Täter, die Polizei und die Justiz nicht sein können: Müssten die Banken nicht? Wäre nicht mehr Sicherheit eine Lösung?  Einfärbetechnik? Falschgeldvorräte? Abgeschlossene Türen bei Nacht? Oder mobile Automaten, die zum Feierabend einfach in den Tresorkeller gerollt werden?

Geldautomatensprengung ist allerdings auch ein soziales Problem, das vor dem Hintergrund des Euro-Kaufkraftschwunds nach einer bundesweit einheitlichen Neuregelung ruft. Freiwilligkeit funktioniert offenbar nicht - zwar dünnen Banken und Sparkassen das Automatennetz seit Jahren aus, doch der Schwund liegt derzeit bei nur knapp über drei Prozent im Jahr. Bei noch weit über 50.000 landesweit betriebenen Geldautomaten wird noch mehr als 300 Jahre dauern, bis diese Schutzmaßnahme der Banken greift. 

Kommt das Sprengverbot

Ein gesetzliches Geldautomatensprengverbot (GASVG) und eine Strafverschärfung für flüchtige Automatensprenger könnte den Schutz für Zehntausende Geldausgabestellen hingegen schnell und flächendeckend erhöhen. Zudem wäre sichergestellt, dass die um ihre Bargeldversorgung bangende Bevölkerung den Eindruck bekäme, es werde etwas getan, Gesetzgeber, Kreditinstitute, Versicherung und Polizei zögen an einem Strang und niemand habe die Absicht, die Angriffe als Vorwand für eine allmähliche Reduzierung des Bargeldangebotes zu nutzen. Im Zuge des Verbots von Barzahlungen über 10.000 Euro hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Vorschlag unterbreitet, Automaten künftig nur noch mit höchstens 5.000 Euro zu bestücken, die im Fall einer Sprengung mit einer von der Letzten Generation bekannten Verklebe-Technik ortsfest gemacht werden soll. 

In der Koalition in Berlin aber herrscht Uneinigkeit. Die Länder könnten die Auflagen für Automaten eigenständig regeln, etwa durch die Genehmigung von sichereren Standorten. Auch sei es den Aufstellern zuzumuten, die Zahl der Geldautomaten zu reduzieren, ohne die Bargeldversorgung einzuschränken. Städte und Gemeinden könnten womöglich auch über den Tier- und Artenschutz höhere Sicherheitsstandards durchsetzen: Nach Sprengung einer Sprengung im bayrischen Konradsreuth (Franken) war es einem Hasen gelungen, das Auto der flüchtenden Räuberbande zu stoppen. Die vier Männer im Alter zwischen 22 und 26 Jahren versuchten danach, den alarmierten Fahndern zu Fuß zu entkommen. Dabei aber scheiterten sie.

Formsache in Brüssel

Ob der Bundestag einem strengen GASVG zustimmen würde, ist nicht sicher. Gerade die Union würde sich ein Plazet in Bundestag und Bundesrat sicherlich teuer abhandeln lassen, eventuell mit einer Zustimmung der SPD zu Taurus-Lieferungen oder einer Rückkehr zur Grundlagenforschung im Kernenergiebereich. Unklar ist auch, welche Position die EU-Kommission zur Sprengfrage bezieht. Die Zustimmung des EU-Parlaments hingegen gilt auch aufgrund des nahenden EU-Wahl-Termins als Formsache.

Wahrheit aus der Wagenburg: Propaganda gegen das Böse

Propaganda lässt sich wie eine Wagenburg nur im Zusammenhang erkennen, nicht anhand eines einzelnen Wagens.
 
Schon wieder eine neue Ära, diesmal eine der Propaganda. Sieben Jahre nach der Erkenntnis, dass das Böse gnadenlos und mit allen Mitteln um die Vorherrschaft kämpft, mit Fake News und Halbwahrheiten, mit Verschweigen und mazedonischem Spam, hat das frühere Nachrichtenmagazin "Spiegel" gerade noch rechtzeitig vor dem heißen Start ins Superwahljahr dies- und jenseits des Atlantik aufgedeckt, dass die Propaganda "zurück" (Spiegel) ist: Was "nach Weimar und Kaltem Krieg" und "nach längst vergangenen Zeiten" klinge, sei tatsächlich Fakt. Propaganda, um das Jahr 1600 im Auftrag von Papst Gregor XV.  in Rom erfunden, um den rechten Glauben zu verbreiten, ist wieder da. Schröcklicher denn je.

Propagandageschenke

Ein vollkommen unerwarteter Schock, der "Politik und unsere Gesellschaft verändert", wie das Magazin analysiert. "Höchste Zeit" sei es nun, sich "einzugestehen, dass nichts mehr ist, wie es einmal war". Interviews werden nun nicht mehr geführt, damit Sänger ihre neue CD, Schriftsteller ihr neues Buch oder Politiker neue strenge Maßnahmen in die Kamera halten können. Sondern weil Interviewer wie der amerikanische Talkshow-Papst Tucker Carlson Interviewten wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein "Propagandageschenk" machen wollen. Millionen Empfänger findet diese Art ungefilterte Verbreitung von O-Tönen. In einer zweiten Welle wird dann jeder spitze Satz von Nachrichtenagenturen weiterverbreitet. Und von allen seriösen Abspielstationen übernommen.

Aus Sollen, Wollen und für die Zukunft versprechen werden haltbare Fakten, aus Zungenschlägen, die Wunschcharakter tragen, Mitteilungen mit Informationswert. Ob die Ankündigung der Auszahlung eines "Klimageldes", ein geplantes zweites Wirtschaftswunder, die Einführung eines Industriestrompreises oder eine allgemeine Impfpflicht: In der Propaganda haben stets die großen Verkündigungen den meisten Erfolg. Eine praktische Umsetzung muss genauso wenig stattfinden, wie entscheidungsrelevante Fakten einen Bezug zur Realität aufweisen müssen. 

Propagandisten sind rechts

Glücklicherweise beschränkt sich der aktuelle Missbrauch von Propagandatechniken aber auf ein Nutzerspektrum, das nach den Recherchen des "Spiegel" klar umrissen ist. Carlson und Putin, Trump, Höcke und zahllose andere Vertreter rechtsextremistischer Angriffe auf die Demokratie greifen zum Handwerkszeug der Hitlers, Goebbels, Honeckers und Schabowskis. Die andere Seite aber, die sich Wahrheit und Klarheit verpflichtet fühlt, kämpft mit Aufrichtigkeit, Faktenchecks und 
tiefgründigen Erläuterungen aller tatsächlichen Umstände darum, die Bevölkerung umfassend zu informieren und ihr so die Möglichkeit zu geben, selbst ein Urteil zu fällen.
 
Die Waffen in dieser Schlacht sind ungleich verteilt. Medien wie der "Spiegel" halten trotzig fest an journalistischen Grundsätzen wie dem, immer auch die andere Seite, zu hören, außer es geht um Diktatoren, Rechtsextreme, Schwurbler, Querdenker oder Rammstein. Sie stehen damit im Kampf gegen einen ganzen "Propagandaapparat mit unzähligen Akteuren auf unterschiedlichen Kontinenten und in unterschiedlichsten Funktionen", der mit Tweets arbeitet, mit TikTok-Videos und Facebook-Memes. Vor aller Augen, schreibt "Spiegel"-Experte Jonas Schaible selbst, "formen sie eine neue Wirklichkeit: die Allgegenwart der Propaganda".

Ein plötzliches Comeback

Ein selbstkritisches Eingeständnis, denn "Propaganda klingt wie ein Wort aus dem Geschichtsbuch, wie ein Phänomen aus einer anderen Epoche". Politische Beeinflussungsversuche waren nach "Spiegel"-Erkenntnissen über Jahre vollkommen aus der Öffentlichkeit verschwunden, nun aber sind sie doch "immer noch da". Selbst in Hamburg "kann man ihnen begegnen, muss man ihnen ausweichen, erliegt man ihnen womöglich".
 
Auf TikTok sei sie sowieso zu beobachten, viele laufe "gut sichtbar ab", vor aller Augen: "Private Scharniermedien", auch "privatkapitalistische Medienheuschrecken" genannt, schaffen ein "Grundrauschen". Die Behauptung, es gehe um die Herstellung wirklich freier Öffentlichkeit, tarnt die Absicht, die zum Umgang mit der neuen Medienwirklichkeit unfähige demokratische Öffentlichkeit mit Inhalten unterhalb der Strafbarkeitsschwelle zu beeinflussen.
 
Was gegen diese Propagandaoffensive hilft, ist allerdings ein überaus glücklicher Umstand. Obwohl der "Spiegel" gewohnt kritisch in die Tiefe recherchiert hat, konnten keinerlei Hinweise darauf gefunden werden, dass mehr als eine Seite Werkzeuge aus dem Propaganda-Lehrbuch nutzt. Verschwiegen und gelogen wird ausschließlich von rechts. Im demokratischen Bereich gibt es keine Lügen, Halbwahrheiten, keine geschickten Erzählungen, Zuspitzungen und Vereinfachungen, Formen der Überzeugung, Meinungsmache und gezielte Öffentlichkeitsarbeit mit Hilfe von Bots

Sockenpuppen und Bots 

So schlimm die Lage ist, so tröstlich ist diese Erkenntnis. Sie vereinfacht das Erkennen von schädlichen Inhalten aus der Propagandaküche beträchtlich und ermöglicht es, "die Mächtigen an ihren Aussagen und ihre Aussagen und Taten an der Wirklichkeit zu messen", indem der Widerspruch von Kritikastern, Quenglern und Quertreibern nach dem Herkunftsprinzip aus der Debatte ausgeschlossen wird. Jemand, der nicht zugeben wolle, dass der politische Gegner recht habe, enttarne sich selbst als Propagandist, wer die Glaubwürdigkeit von Kritik infragestelle, keine Fehler eingestehe, stattdessen alles umdrehe, ablenke und verschleiere, für den gelte dasselbe. 
 
Wenn Propagandisten "mit Kritik konfrontiert werden, streiten sie alles ab", fasst Jonas Schaible zusammen. "Oder sie streiten alles ab und erklären zugleich, dass gar nicht schlimm sei, was man ihnen vorwerfe." Oft gehen sie zum Gegenangriff übe und stellen die Glaubwürdigkeit der Kritik infrage. Propaganda sei hermetisch, eine Gefahr für die Gesellschaft, aber dank aufklärender Beiträge wie dem im "Spiegel" erkenne man sie "nicht in einer einzelnen kommunikativen Handlung", aber im großen Zusammenhang. "So, wie man eine Wagenburg nicht an einem Wagen erkennt, sondern nur im Ganzen."

Sonntag, 24. März 2024

Klischeebild Inflation: Fressen lassen

Wissenschaffende aus Sachsen bestätigen jetzt die Thesen des Wirtschaftsweisen Marcel Fratzscher: Inflation muss als neue Erfahrung angenommen werden, dann fällt der Umgang leichter.

Für die Wissenschaft ist die Sache schon länger glasklar. Ein bisschen Inflation, auch ein bisschen höhere Inflation ist willkommen – "und notwendig für die Transformation der deutschen Wirtschaft", hatte der Wirtschaftsweise Marcel Fratzscher bereits vor dem beginn der anhaltenden Preissteigerungswelle deutlich gemacht. Jammern und Klagen über gestiegene Energiepreise führe in die Irre, denn klimaschädigendes Verhalten von Unternehmen und Menschen müsse künftig teurer werden damit sich weniger Menschen klimafeindliche Lebensgewohnheiten leisten können.  

Ein mulmiges Gefühl

Dass zuletzt selbst Minister der aktuellen Bundesregierung den im Koalitionsprogramm eigentlich festgeschriebenen Kurs auf deutliche Preissteigerungen kritisieren, zeigt für den in Sachsen arbeitenden Transformationsforscher Herbert Haase und seine Kollegin Sandra T. Weichert-Sassenpuhl die Verunsicherung, die selbst Teile der Regierung ergriffen habe. "Ein mulmiges Gefühl schwimmt bei manchen mit, man fragt sich offenbar, wie weit können wir gehen, ohne dass uns der Laden um die Ohren fliegt", schildert die studierte Krisenökonomin Weichert-Sassed ihre Sicht auf die Vorgänge im politischen Berlin.

Doch ist diese Furcht vor dem Zorn der Bevölkerung überhaupt angebracht? Sind nicht die Menschen draußen im Land bei klarer Anleitung sehr viel leidensfähiger und mitmachbereiter als oft angenommen wird? Weichert-Sassenpuhl, die an Haases Climate Watch Insitut im sächsischen Grimma Kipppunkte der Klimabereitschaft für alle Bundesländer berechnet hat, ist überzeugt, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gibt. "Wir sehen in Staaten wie Venezuela, der Türkei und Argentinien, dass Staaten auch relativ stabil bleiben können, wenn Inflationsraten im drei- und vierstelligen Bereich liegen." 

Die Angst der Deutschen

Doch warum ist gerade die Angst der Deutschen und ihrer Regierung so groß, wenn es um Geldentwertung und Wohlstandsverluste geht? Haase, der seit Jahren intensiv an den Transitionsprozessen forscht, führt es auf Gerüchte zurück, die durch Filme wie "Der große Crash" oder "Inflation im Paradies" genährt worden sei. Auch Fernsehsendungen hätten mit Dramen über Zusammenbrüche oder "Das gierige Biest" einen Anteil an den irrationalen Ängsten, die heute Millionen bewegen, ihr Geld zusammenzuhalten, statt es gegen die steigenden Preise einzusetzen. "Rational wäre ja, jetzt zu kaufen, weil es in Zukunft teurer wird", sagt Weichert-Sassenpuhl. Zumal der gesunde Menschenverstand jeden raten müsse, zu kaufen, so lange noch Geld da sei.

Die Bürgerinnen und Bürger aber handeln nicht danach. Haase glaubt, dass es auch damit zu tun hat, dass galoppierende Geldentwertungen nur äußerst selten vorkämen. "Kaum jemand ist über familiäre Erzählungen und dramatisierende Medienberichte hinaus damit vertraut." Das tatsächliche Risiko eines Wohlstandsverlustes stehe in keinem wirklichen Verhältnis zum Verlust an Lebensqualität, der eintritt, wenn der Alltag in Angst verbracht werde. 

Das Klischee eines Ungeheuers

Wieso also fürchten Millionen Menschen sich dennoch so sehr vor einem simplen Kaufkraftverlust? Die Inflationspsychologin Sandra T. Weichert-Sassenpuhl weiß die Antwort. Neben der Furcht, die durch Filme getriggert worden sei, in denen Zeiten der Inflation sehr monströs dargestellt wurde, erfülle die Inflation perfekt das Klischee des Ungeheuers. "Sie ist nicht zu sehen, nicht zu hören, aber überall", sagt die Forscherin. Niemand könne ihr entkommen, niemand könne weglaufen oder ausweichen. "Es ist einfach die schiere Größe, ihr gigantisches Maul, die vielen Zähne, die die Vorstellung nähren, dass jeder einfach verschlungen werde."

Ob drei Prozent, zehn oder 27, gefühlt sei Inflation immer größer als in Wirklichkeit. "Dadurch wiederum erscheint sie noch furchteinflößender als etwa eine einzelne Mietpreiserhöhung oder eine Nachzahlung auf die Erdgasrechnung." Galoppierende Geldentwertung gleiche einem Wasser, das groß und unbekannt sei oder einem großen Tier, das sehr schnell und präzise und mit guten Sinnen für die Jagd ausgestattet ist und nicht ermüdet, ehe es nicht alle beute gefressen habe. "Und es spielt natürlich hinein, dass der Einzelne es eben nicht selbst im Griff hat." 

Obwohl die Wahrscheinlichkeit, am Ende einer hart inflationären Phase noch Geld übrig bleibt, viel höher ist als die, gar keines mehr zu haben, ängstige die unwahrscheinliche Vorstellung Menschen so sehr, dass sie bereit sind, Regierungs- und Parteienvertreter verantwortlich für ihre Misere zu machen. 

Nager am Hungertuch

Selbstverständlich gebe es auch Opfer, Menschen, die verarmen, die am Hungertuch nagen und wegen der auseinanderklaffenden Schere zwischen arm und reich bei der Tafel anstehen müssen. "Aber das sind Einzelfälle - natürlich sehr tragische Fälle, jeder für sich." Die gängige Annahme unter Forschern sei jedoch, dass die meisten Inflationen in eine Rezession münden, die dann, wenn es keine Hoffnung mehr gebe, zu einem Aufschwung führe. 

In Regionen wie Deutschland, in denen die einstige Inflationshärte verlorengegangen sei, weil die Zentralbanken hier normalerweise Wert auf eine andauernde, langfristige aber unauffällige Entwertung von Löhnen, Gehältern und Erspartem achten, entzündeten schon Inflationsraten von sieben, neun oder zwölf Prozent mehrere Sinnesreize: "Verstärkter Herzschlag, Verzweiflung, das Gefühl der Ausweglosigkeit, Ausgeliefertsein", zählt Herbert Haase auf. 

Das sei ein zweischneidiges Schwert, denn aus den irrationalen Ängsten resultiere irrationales Verhalten. "man erregt sich, sucht Schuldige und meint, mit Protesten etwas erreichen zu können." Gehe von der Inflation an sich keine direkte Gefahr für Menschen aus, sei das Hassangriffen auf Verantwortungsträger anders. "Die fühlen sich unter Druck gesetzt und dann ist es möglich, dass es zur direkten Konfrontation kommt. "

Worauf Udo Meier hofft: "Ich warte auf das Millionenerbe"

Udo Meier war ein Leben lang armutsbedroht. Jetzt plant er, ein Millionenerbe anzutreten.

Udo Meier stammt aus einer extrem armutsbedrohten Familie. Jahrzehntelang hat er mit Entbehrungen und umgeben von einem sozial schwachen Umfeld gelebt. Die Besiedelung durch ehemalige Bergarbeiter, meist wenig gebildet und ohne finanzielle Rücklagen, prägen bis heute das Bild der Lausitz, die so tief im Osten liegt, dass selbst andere prekär lebende Ostler sie als "Polen" verkohlen. Für Udo Meier war es immer schon schwer, in diesem Biotop aus zerstörter Hoffnung und unsinnigen Visionen zu leben. Früh schon beschloss er deshalb, eines Tages fortzugehen, um ein Existenz zu finden, die seinem Naturell mehr entspricht. "Der Plan war von Anfang an" sagt er heute, "erst einmal reich zu werden."

Nie mehr auf Mark und Pfennig schauen

Nun will der Senftenberger erben, aber richtig. Sein Ziel sei es, das normale Leben der Privilegierten zu führen, nicht mehr dauernd auf die Mark und den Pfennig schauen zu müssen und endlich zu leben. Im Gespräch erklärt er, was ihn antreibt, worauf er hofft und warum er heute schon darauf besteht, als Millionenerbe angesprochen zu werden. Orientiert an den gängigen Standards, rechnet Meier damit, Anspruch auf ein Erbe in Höhe von zwischen sieben und 27 Millionen Euro zu haben. 90 Prozent davon werde er verschenken, zumindest, wenn ihm ein Betrag zufalle, der am oberen Ende des Erwarteten liege. An wen, werden dann ein unabhängiges Gremium entscheiden."Mir reichen ein paar Millionen, ich brauche nicht gleich reichster Mann der Welt zu sein", sagt der 47-Jährige bescheiden.

Doch wer ist Udo Meier? Und was treibt ihn an? Warum will er den Großteil seines Vermögens der Allgemeinheit übergeben, wo er doch so viele Jahre darauf gehofft und daran gearbeitet hat, es zu erhalten? Nun, Meier selbst bezeichnet sich aufgrund seiner frühkindlichen Erfahrungen als Sozialaktivisten, der genau weiß, wie es sich anfühlt, "immer die Sachen des älteren Bruder aufzutragen und beim Abendbrot stopfen zu müssen, um noch eine zweite Scheibe Wurst zu ergattern." Seitdem ist Meier sicher: Niemand dürfe sich einbilden, seine eigene Komfortzone sei wichtiger als das gute Leben aller, niemand darf für sich beanspruchen, was andere nicht haben. 

Wenig gebildet und ohne Chance

Für jemanden wie ihn, aus kleinen Verhältnissen kommend, nur wenig gebildet, ohne Chance auf eine große Karriere in Sport-, Unterhaltungs-, Medien- oder Politikgeschäft sei Erben die einzige Möglichkeit, schneller zu Geld zu kommen als die Inflation das Gesparte aufzehre. "Ich habe nur einen Zehn-Klassen-Abschluss", sagt Meier, "aber das habe ich bereits in der neunten ausgerechnet gehabt". Damals begann seine Jagd auf ein sogenanntes Solidarerbe - "mir und meinem Unterstützerkreis war klar, das viele, viele Superreiche ohne Nachkommen sterben und ihr Vermögen deshalb oft notgedrungen für gute Zwecke spenden".

Millionen flössen so Jahr für Jahr in undurchsichtige Stiftungskontrukte, Anwälte und Notare würden reich und Geld, das Gutes bewirken könne, verschwinde in Schließfächern, Tresoren und auf Nummernkonten. "Dass ich mich und meine Person, meine Biografie und mein Schicksal als Alternative anbiete, ist ein richtungsweisender Akt zur Stärkung der Demokratie", sagt Udo Meier. Für die gesamte Gesellschaft sei es hilfreicher, wenn eine natürlich Person wie er erbe, ein Mensch aus dem Volk, ehrlich und unverstellt, als dass normale Verteilungsdynamiken griffen: Erst die nahen Blutverwandten, dann anonyme Stiftungen oder Großorganisationen, die einen Großteil des Geldes für dessen Verwaltung verwendeten.

"Ich bettele nicht"

Meier betont, dass er nicht für sich bettele, aber auch keine Absicht habe, die erwarteten Millionen "sinnlos zu verprassen", wie er sagt. Seine Aktion unterscheide sich bewusst von allen Hilferufen an Millionäre und Milliardäre. Er wolle kein Almosen und sich später auch nicht für die Art rechtfertigen müssen, wie er das Geld ausgebe. "Ich denke, jeder Euro, für den ich mir etwas gönne, fließt zurück in die Hand der Gesellschaft und tut dort Gutes." Da er mit seinen über Jahrzehnte aus Geldmangel unterdrückten Bedürfnissen noch viele Wünsche habe und vom Konsum noch lange nicht ermüdet sei, werde ein ihm voraussichtlich zugehendes Millionenerbe nicht auf einem Bankkonto versauern oder mit dem Ziel schneller Vermehrung angelegt werden. "Ich denke schon, dass ich bereit und in der Lage bin, vieles rasch auszugeben."

Auf diese Art werde er den größten Teil seines Vermögens an die Allgemeinheit zurückgeben. "19 Prozent Umsatzsteuer bekommt Vater Staat, das ist klar, aus dem Rest können Löhne bezahlt und Versicherungsbeiträge abgegolten werden." Um zu dokumentieren, wie segensreich ein solches Solidarerbe wirke, will Udo Meier sein Erbprojekt von einem Gremium mit der Bezeichnung "Guter Rat ist teuer" begleiten lassen. 

Beobachtetes Experiment

Die Gruppe besteht seinen Angaben zufolge aus "fünf zufällig ausgewählten Menschen", die beobachten, wer Meiers Geld bekommt. Ziel sei es, grundsätzliche Fragen zu sozialer und steuerlicher Gerechtigkeit zu stellen, die Vermögensverteilung in der Gesellschaft auf Politik und das Klima zu konzentrieren und die konkrete Vergabe der Millionen an einen einzelnen Erben zu begleiten. "Ich werde nur zum Auftakt unseres ersten Treffens ein paar Begrüßungsworte sagen, danach übernimmt die Gruppe eigenständig die Beobachtung des Experiments", beschreibt Meier. 

Sein künftiges Privatvermögen werde er nicht nur für sich selbst besitzen und ausgeben, ist Meier überzeugt. "Das wird keine wilde Charity-Aktion nach dem Motto, ich schmeiße mit Geld um mich, sondern es ist wirklich eine große Systembeleuchtung", sagt der Erbe. Er werde sicherlich keinen Euro  für verfassungswidrige, klimaschädliche, lebensfeindliche, menschenverachtende und profitorientierte Zwecke ausgeben, aber bei mehreren Millionen Euro, die er umverteilen wolle, könne auch nicht ausgeschlossen werden, "dass mal ein Flug dabei ist, eine Kreuzfahrt oder der Kauf eines Autos". 

Ein deutliches Zeichen

Um ein deutliches Zeichen gegen die derzeit so ungleiche Vermögensverteilung in der Gesellschaft zu setzen, sei es notwendig, klare Kante zu zeigen. Er werde nach Antritt seines Erbes zum reichsten Prozent der Bevölkerung gehören, daraus ergebe sich für ihn auch eine Verpflichtung mit allen negativen Auswirkungen auf das Privatleben. "Sicherlich werde ich im Fokus der Medien stehen, werde auf Privatleben verzichten und Interviews geben müssen, in denen ich auf den überproportional großen Einfluss von uns reichen Menschen und den Schaden hinweise, der dadurch an der Demokratie entsteht", sagt Udo Meier, der genau weiß, dass Menschen mit einem Vollzeit-Job nur noch schwer über die Runden kommen, weil der Staat von jedem Euro, den sie mit Arbeit verdienten, mehr als 70 Prozent Steuern und Abgaben für sich beansprucht. "Ich bin fest entschlossen, meine Position als Erbe zu nutzen, um diese Zustände anzuprangern."

Bei seiner Aktion ist Meier als einem der ersten Ostdeutschen, der ohne Lottogewinn von einem Tag auf den anderen Millionär wird, nach eigener Aussage vor allem wichtig, dass sie demokratisch, transparent und öffentlich ablaufe. "Ich will nicht, dass mir mein Geld oder meine neue Bekanntheit hilft, hinter verschlossenen Türen von Entscheidungsträgern empfangen zu werden." 

Debatte um  gerechte Verteilung

Er wolle eine Debatte um das Thema der gerechten Verteilung anstoßen, die der Politik klarmacht, dass ganz normale Menschen mehr verdient haben als die Aussicht, 45 Jahre zu buckeln und über den gesamten Zeitraum nurmehr den geringsten teil des von ihnen erarbeiteten Einkommens für sich beanspruchen zu dürfen. "Dass sich zum Beispiel ein besseres Verständnis von Verteilungsdynamiken etabliert", sei ihm wichtig, sagt Udo Meier. Der gelernte Maurer hofft, dass sein Solidarerbe-Projekt dazu beiträgt, klarzumachen, wer den Auftrag hat, sich um eine gerechtere Verteilung zu kümmern - "nämlich die Politik". Die sei aufgefordert, dafür zu sorgen, dass denen, die den Wohlstand erarbeiten, mehr davon selbst übrig bleibt. "Ich habe durch das Millionenerbe die Chance, aus der ewigen Armutsgefährdung herauszukommen", sagt Udo Meier, "aber künftig muss das für jeden möglich sein."